Zwei Wochen hatten wir nach unserem großen Jubiläumskonzert Pause, um langsam wieder in den Alltag zurückzukehren, als wir aus diesem schon wieder herausgerissen werden. Ein Konzert in der Hamburger Cobra Bar steht an! Leider sind wir eine der letzten Bands, die in diesem ehrwürdigen Etablissement spielen dürfen, denn auch vor dem Hans-Albers-Platz macht die Hotellisierung des Hamburger Kiez offensichtlich nicht halt! Buh!
Ehrgeizig, wie wir nun mal sind, hatten wir nach dem Jubiläumskonzert den gesamten Proberaum wieder mühevoll eingerichtet, um fleißig für das nun anstehende Konzert üben zu können. Nun räumen wir unser komplettes Equipment wieder in den alten Bus von Simons Opa – natürlich ohne in den zwei Wochen mal überhaupt irgendeinen Ton gespielt zu haben. Männerhusten, Geburtstags-Omas und andere scheinheilige Gründe waren einfach zu mächtig gewesen. Trotzdem geht das Einladen heute besonders schnell, was uns später noch zum Verhängnis wird. Siehe unten.
Die Hamburger Morgenpost hat uns heute ein großes Bild unserer exorbitant schönen Antlitze gewidmet und unser Konzert groß angekündigt, während neben uns das Konzert von Alligatoah in der Alsterdorfer Sporthalle nur in einem Einzeiler in Schriftgröße 2 erwähnt wird. Die Mopo weiß offensichtlich Prioritäten zu setzen. Und die Halle ist eh doof.
Wir fahren also gemütlich, entspannt, bei guter Musik, im komfortablen Bus von Simons Opa über die Autobahn, als… Nein, nochmal neu:
Wir rattern also mit einem Höllenlärm, den der Bus von Simons Opa ausstößt, und ohne jegliche Radiounterhaltung über die rechte Spur der Autobahn und fahren nur 60 km/h. Denken wir. Als wir kurz auf den Tacho schauen, schlägt er plötzlich auf 120 aus und wir sind überrascht. Dieser miese Tacho wollte uns wohl einen Streich spielen. Niemand ist sich sicher, ob er das Konzert noch spielen kann oder schon vorher durch Motorenlärm taub und durchs Anbrüllen heiser ist.
Ein weiteres Problem ergibt sich, als Hendrik ein neues Bier öffnen will. Der einzige Flaschenöffner befindet sich am Schlüsselbund, der im Zündschloss steckt. Hierin sieht jedoch keiner der Anwesenden ein Problem, sodass kurzerhand das Bier mit eben jenem Schlüsselbund geöffnet wird – als plötzlich der Motor ausfällt. Langsam rollen wir mitten in der Amsinckstraße aus und gucken uns verwundert an. Wir überlegen schon, wie wir dem Veranstalter und der Mopo schonend beibringen, dass wir doch nicht kommen und die Leute stattdessen zu Alligatoah in die doofe Halle gehen sollen, als Simon die geniale Idee hat, den Motor neu zu starten. Klappt.
In der Bar angekommen bietet sich uns ein völlig ungewohntes Bild: Finn sitzt am Tresen und trinkt – Trommelwirbel – Cola. Wie er uns später erläutert, hat er am folgenden Tag einen Tattoo-Termin und jetzt Angst, dass er wie gewohnt sein Blut so derart mit Alkohol verdünnt, dass es ihm beim Tattowierer im hohen Bogen aus den Armen spritzt.
Beim Aufbau stellen wir dann schnell fest, warum das Einladen so schnell ging: Das halbe Schlagzeug, ein Mikrofonständer und andere Dinge sind schlichtweg nicht vorhanden. Wir wollen schon den Schlagzeuger von Räubersfaust anrufen, der angeblich vorbeischauen wollte, und ihm sein Drumset abluchsen, als unser eigener Drummer plötzlich in Bastelwut gerät. Bewaffnet mit Gaffa-Tape kleistert er sein restliches Schlagzeug voll und klebt seine Trommeln wild an anderen Trommeln fest. Das Ganze mutet etwas konfus an, aber das Schlagzeug ist stabiler als je zuvor. Da wir auf diesem Wege einiges Geschleppe sparen können, wollen wir das jetzt immer so machen.
Plötzlich ernten wir enttäuschte und zudem vorwurfsvolle Blicke von Per-Ole, denn wir haben zudem noch seine schönen Preislisten für den Merchstand vergessen, die er in stundenlanger Heimarbeit erstellt hat. Da wollten wir einmal professionell wirken, aber nun werden auch die Preise wieder auf das mittlerweile heute mehrfach preisgekrönte Gaffatape geschrieben.
Kaum ist der Soundcheck erledigt, trudeln immer mehr Leute ein. Bekannte und unbekannte Gesichter begrüßen uns und gehen in den Laden, wodurch wir den Eindruck haben, wir können nun pünktlich mit unserem Set anfangen. Obwohl die Bude bereits recht voll ist, meint der Veranstalter jedoch, wir sollen noch warten, da die meisten Leute erst um 22 Uhr kämen… Wo sollen die denn noch hin?
Unser vorher mit dem Booker abgesprochenes Set von einer Stunde Länge ist offensichtlich auch zu wenig, weshalb wir uns spontan noch weitere Songs aus den Fingern saugen und am Ende fast wieder so lange spielen wie vor zwei Wochen. Während die meisten Besucher vor der Bühne mittanzen und ihre Münder bewegen, als könnten sie die Texte (es sieht aber aus, als würden sie die Texte anderer Bands zum Besten geben), möchte ein Besucher die ganze Zeit irgendwelche St.Pauli-Lieder hören. Irgendwann müssen wir ihm erklären, dass wir leider keine St.Pauli-Lieder eingeübt haben, weil wir eigentlich überhaupt nichts eingeübt haben. Er schaut uns zornig an. Wir schauen zornig zurück. Daraufhin begnügt er sich weiter mit ein wenig Pogo.
Nach dem Konzert lassen wir uns mal wieder zu einer kleinen Kieztour hinreißen, an deren Ende wir dem Gitarristen von Räubersfaust noch den Clochard zeigen wollen. Dort angekommen kleben wir blöderweise direkt am Boden fest und müssen zu unserem Leidwesen dort noch einige Getränke verköstigen, bevor die Bahnen wieder fahren und die ersten Mitstreiter sich langsam ins Bett verabschieden.